Dreieinheit = Gastfreundschaft 

Diese Ikone ist inspiriert von der weltberühmten Trinitäts-Ikone von Andrej Rubljev. Sie gehört zu den beliebtesten Ikonen schlechthin und gilt als die Krone der russischen Ikonenmalerei.

Rubljev malte sie im Jahr 1420 für das Dreifaltigkeits-Kloster in der Stadt Sergijew Possad, 70 km nordöstlich von Moskau. Wie der Name schon sagt, wurde in diesem Kloster insbesondere die Dreifaltigkeit, die göttliche Drei-Einheit, angebetet. Die Ikone stand an einer zentralen Stelle in der Kirche und ist im Original 140 x 110 cm groß. Das ist etwa fünf Mal so groß wie meine hier abgebildete Ikone. Im Jahr 1555 wurde diese Rubljevs Ikone von der russisch-orthodoxen Synode als die einzige vorbildliche und verbindliche Darstellung der Dreieinheit Gottes festgelegt. 

Rubljev hat aber, wohl auf Wunsch der Mönche des Dreifaltigkeitsklosters, etwas Entschei­dendes weggelassen, um die Trinität noch mehr hervorzuheben: Abraham und Sara. Von der Darstellung mit Abraham und Sara waren im 14. Jahrhundert in Griechenland schon kleinere Tafelikonen im Umlauf und sie müssen Rubljev bekannt gewesen sein. Diese ursprüngliche Ikone mit den drei Engeln, Abraham und Sara geht auf die biblische Erzählung in Genesis 18, 1-15 zurück. Die Geschichte der Begegnung und Bewirtung der drei Engel wird darum ursprünglich die „Gastfreundschaft Abrahams“ genannt. Die griechische Bezeichnung dafür ist „Philoxenia“ und dieses Wort ist dann auch links oben auf meiner Ikone zu lesen. Der Begriff kommt von Philos, was lieb oder teuer bedeutet, und Xenos: der Fremde, der Ausländer. Gastfreundschaft ist hier die Liebe für den Fremden! Schon im 6. Jahrhundert wurde in der christlichen Kirche diese Gastfreundschaft mit dem Abendmahl in Verbindung gebracht, dem Mahl, bei dem Gott uns bewirtet.

Und tatsächlich sagt diese Gastfreundschaft, die Liebe für den Fremden und die Begegnung, sehr viel darüber, wie wir Gott verstehen können. Dazu drei Gedanken:

(1) Gott begegnet uns in unserer alltäglichen Wirklichkeit. Das ist so bei Abraham, im Alltag seines Lebens in Mamre. Er lädt drei für ihn fremde Männer in sein Zelt ein und deutet diese Begegnung und das Versprechen der Geburt Isaaks später als Gottesbegegnung. Dieser Umgang mit Fremden ist in der Wüste alltäglich, weil auf diese Weise potentielle Feinde zu Freunden gemacht werden. Im Neuen Testament (Hebräer 13,2) wird dies nachdrücklich gefordert und die Verbindung der Männer zu Engeln gelegt: „Vergesst nicht, auch zu Außenstehenden freundlich zu sein; denn indem sie das taten, haben manche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ Die Fremden sind hier wie Engel. Engel sind in diesem Bibeltext das Symbol für eine andere Wirklichkeit, in der Fremdenliebe und Gottesliebe ganz nah beieinander liegen.

(2) Aber nicht nur Abraham und Sara begegnen den Engeln, die drei Engel begegnen sich auch untereinander. Der mittlere Engel schaut auf die linke Figur. Diese wendet ihren Blick auf den Engel rechts, der seinen Kopf zurück zur Figur in der Mitte neigt. Auch die Hände deuten Kommunikation an. Der Drei-Eine-Gott ist kein statisches Wesen, sondern Bewegung und Begegnung in sich.

(3) Gleichzeitig bleibt dieses Geschehen nicht etwas, das sich zwischen den drei Figuren abspielt. Die zwei Podeste unter ihren Füssen laufen auf uns als Betrachter zu. Sie bilden mit dem Tisch ein Dreieck. Der Tisch ist nach vorne offen und zieht uns als Betrachter in das Bild hinein. Gott lädt uns ein an seinen Tisch, er ist gastfreundlich und Gott will uns begegnen. Wir sollen Teil der dynamischen Gottesbegegnung werden. 

Gottes Trinität ist somit mehr als die drei Engel von Rublev, die sich begegnen, sondern Gott ist die Philoxenia: ihm wird begegnet, er begegnet uns, und auf diese Weise setzt er uns in Bewegung.

 

Mehr Informationen von mir zu dieser Ikone und anderen Abbildungen der Trinität beim 

IKONENABEND im Ikonenmuseum Frankfurt (Brückenstraße 3-7)

Mittwoch 25. September 2024, 18:30 bis 19:30 Uhr.