Jona
Jona ist eine sehr bekannte Geschichte, vor allem durch den großen Fisch, der ihn drei Tage verschluckte. Sie ist so spektakulär und sagt so viel über einen Gott-der-rettet, dass sie schon Kindern erzählt werden kann und zur Kindergeschichte geworden ist.
Das ist eigentlich schade! In dieser kleinen Novelle geht es um viel mehr. Wenn man aber nicht mehr weiß als Jona-im-Wal, neigt man als Jugendliche vielleicht sogar dazu die Geschichte als unglaubliche Kindergeschichte abzulegen, genauso wie man die Geschichten von Sandmann und vom Weihnachtsmann ablegt. Als Erwachsene kann man so etwas nicht mehr glauben. Diese Geschichte beweist doch, dass Glaube etwas für Kinder ist. Wie soll das gehen, ein Mensch, der in einem Wal überlebt?
Und Bilder wie diese werden daran beigetragen haben. Übrigens ist diese Abbildung von dem geschlechtslosen Wesen mit Glatze und der Drachenfisch eigentlich keine Ikone, sondern eine Buchminiatur aus dem Heisterbach-Codex, gemalt von einem Zisterzienser-Mönch im Rheinland im 13. Jahrhundert. Für Kinder spannend, wie jede Drachengeschichte.
Die Jona-Geschichte ist aber alles andere als kindisch oder kindlich und er hat große Bedeutung im Judentum, im Christentum und im Islam. Genauso wie Abraham, Gabriel und Joseph kommt der Prophet Jona in alle drei großen monotheistischen Religionen vor.
- In der jüdischen TeNaCH geht es darum, dass ein kleiner zweifelnder Prophet aus Jafo (jetzt Tel Aviv) in das große böse Ninive, Hauptstadt des Assyrischen Reiches (jetzt Mossul) ziehen soll um dort das Strafgericht Gottes zu verkünden. Wer möchte das schon? Als einer der letzten Propheten in der hebräischen Bibel macht aber die Jona-Erzählung klar, dass der Gott Israels kein Stammesgott des jüdischen Volkes ist, sondern universelle Bedeutung hat.
- In der christlichen Bibel ist Jona wichtig, weil Jesus sich nachdrücklich mit Jona vergleicht. So wie Jona ein Zeichen für die Bewohner von Ninive war, so sagt Jesus, werde ich (der Menschensohn) ein Zeichen für dieses Volk sein. (Lk 11,30) Die traditionelle Auslegung ist dann, dass es um die Frage geht, ob das jetzige Volk sich auch bekehren soll. Im Neuen Testament vergleicht der Evangelist Matthäus (Mt 12,40) Jesus mit Jona: So wie Jona drei Tage im Fisch war, wird Jesus drei Tage in der Unterwelt sein, bis er aufersteht. Jesus ist dann der gehorsame Prophet. Zeichen für die Auferstehung-
- Im Koran kommt Jona „Junus“, an vier Stellen vor und es gibt sogar eine ganze Sure die nach genannt ist. In Sure 9 geht es vor allem um die Allmacht und Allwissenheit Gottes, über das Jüngste Gericht und die Vergeltung der Menschen nach ihren Werken und Taten. Gott spricht als „Wir“ zu den Menschen. (Sure 9,98)
„Warum gab es denn keine Stadt, die glaubte, so dass ihr Glaube ihr genutzt hätte, außer Jonas Volk. Als sie glaubten, befreiten wir sie von ihrer schandvollen Strafe im diesseitigen Leben und gewährten ihnen noch eine Weile Wohnrecht (Nutznießung).“
Für Muslime ist „der mit dem Fisch“, wie er oft genannt wird, eher eine missliche Figur, den es an Gehorsam fehlte. Aber als er dann Gott in der Finsternis des Fischbauches lobt, rettet Gott ihn und mit ihm später alle Einwohner von Ninive.
Aber diese schon 4000 Jahr alte kleine Lehr-Erzählung hilft uns noch bei zwei ganz anderen aktuellen Fragen weiter:
- (1) Wie können wir uns dem Verhältnis der Religionen denken?
- (2) Können wir mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen zusammen beten?
Um eine Antwort auf diese Fragen zu bekommen müssen wir genauer in der Bibel lesen, wie Jona eigentlich in den Fisch gelangt.
Wir wissen aus Kapitel 1, dass er auf der Flucht vor Gott und vor seinem schweren Auftrag diametral in einer anderen Richtung geht. Statt auf dem Landweg in Richtung Osten steigt er in einem Schiff auf dem Seeweg Richtung Westen. Und wie öfters auf dem Mittelmeer gerät das Schiff in einem Sturm. Die Matrosen machen was sie können, aber die Not wird größer. Wie man dann so sagt: da hilft nur noch Beten. Und das machen sie dann auch. Sie greifen auf ihre jeweilige Tradition zurück, und beten so, wie sie es von ihren Müttern und Vätern gelernt haben, in ihrer Sprache aus ihrer Tradition. Aber es hilft nicht. Der Sturm legt sich nicht und sie kriegen das Schiff nicht in den Griff.
Dann kommt aber die entscheidende Wende. Jona sagt: „Wirf mich mal über Bord. Es ist wohl meine Schuld, dass wir Probleme haben, ich bin nämlich auf der Flucht vor Gott.“ Dann fragen die Matrosen natürlich, wer dann wohl dieser so mächtige Gott ist, der sie alle in Seenot bringt. Und genauso wie Moses, als er gefragt wird, wer Gott ist, erklärt Jona: Er ist der EINE, der „Ich-bin-da“, Jahweh JHWH, der HERR (in Großbuchstaben geschrieben). Diese Bezeichnung überzeugt dann die anderen: so mächtig ist nur der EINE Gott, dessen Namen besagt, dass er dabei ist. Dann beten alle zu diesen einen-Gott-der-immer-dabei-ist, bevor sie Jonas Wunsch erfüllen. Ein Gott der dabei ist, wird auch im Meer wohl dabei sein. Und tatsächlich: Jona wird vom Fisch gerettet und der Sturm legt ist.
Das Gebet wurde erhört!
Auf der Ikone zieht Gottes starke Hand Jona aus dem Fisch, am Handgelenk, so dass er selbst nichts tun muss um gerettet zu werden. Es ist der gleiche Griff als der mit dem Jesus Christus nach der Auferstehung Adam und Eva und mit ihnen alle Menschen aus dem Tod ins Leben zieht. (Auferstehungsikone)
Wenn Jesus sich das „Zeichen von Jona“ nennt, kann er gemeint haben, dass er in Wort und Tat zeigt, dass Gott der EINE universelle Gott ist, der für alle der ICH-BIN-DA ist. Gott der das Leben will, rettend zugreift, und einen Neuanfang möglich macht.
Ein letzter Gedanke: Dieses Gebet von Jona und den Seeleuten ist vielleicht das erste interreligiöse Gebet, von der in der Bibel berichtet wird. In großer Not spielen die unterschiedlichen Weisen wie wir Gott denken und wie wir ihn loben keine große Rolle mehr. In großer Not beten Seeleute aus ganz unterschiedlichen Traditionen und Kulturen zusammen zu dem EINEN Gott. Und dann passiert es: Gott rettet sie alle.
So können auch heute Christen mit Muslime und Juden ihre Not und Sorgen in Gottes Hand legen, ob er nun Adonai, El, Elohim, Elaha, Allah, Deus, Dios, Dieu, auf Englisch God, auf Niederländisch God, oder auf Deutsch Gott genannt wird. Der EINE G´tt zieht uns alle, die aufrichtig zu ihm beten, aus dem Ungeheuer, aus der Unterwelt, aus dem Tod ins Leben.