Christus Pantokrator

Ohne Christus gäbe es kein Christentum
Ohne Christus wären wir keine Christen.

Dabei sage ich nicht: ohne Jesus gäbe es kein Christentum, sondern ohne Christus.
Jesus ist nur sein Vorname, Joschua, wie Hans oder Schorsch. Es gab in dieser Zeit viele Messiassen, es gab noch mehr Wanderrabbis wie Jesus, es gab viele Wundertäter. Wenn er nur eine historische Person oder ein nettes Vorbild für Mitmenschlichkeit gewesen wäre, wenn er nur Bruder Jesus gewesen wäre, der, wie wir alle, versuchte ein guter Mensch zu sein, dann wäre das Christentum nicht entstanden. Erst nachdem die ersten Nachfolgerinnen und Nachfolger in der frühen Kirche an den historischen Jesus einen Titel verliehen, die ihn über das Menschliche hinausgehoben hat, konnte man von Christentum sprechen.
Und auch die Bekenntnisfrage für Christen heute lautet nicht, wer ist Jesus für mich, sondern: Ist dieser Jesus für mich der Christus, der Heilbringer, der Gesalbte?
Ich kann mittlerweile gut nachvollziehen, dass man in der frühen Kirche darauf bedacht gewesen ist Jesus nicht zu klein zu denken. Das wäre das Ende des Christentums gewesen. Wäre er nur Rabbi, hätte er weiter nur in Synagogen gepredigt, dann hätte er vielleicht eine interessierte Gruppe Zuhörer gehabt. Dann wäre Rabbi Jesus vielleicht alt, betagt und angesehen gestorben. Vielleicht war sein Name einen Absatz wert gewesen in Flavius Josephus' Beschreibung der jüdischen Geschichte im 1. Jahrhundert, wie Rabbi Gamaliel. Wäre Jesus nur ein Prophet gewesen, dann wäre er ein jüdischer Prophet geblieben, wie Amos oder Jona und auch dann hätte es kein Christentum gegeben.
Was hebt dann diesen Joschua so über alle anderen Menschen in der Geschichte hinaus, dass auch ich über ihn spreche als Jesus der Christus. Das es stimmt, was in großen Buchstaben links und rechts oben auf dieser Ikone steht: IC XC: Iesos Christos.
Ich möchte drei Aspekten nennen, die mir seit dem Malen dieser Ikone, in London 2018, unter der Leitung von Theodoros Papadopoulos, klarer geworden sind:

-        Er segnet mich. Er schaut mich freundlich an und ermutigt mich. Er segnet mich mit einer Hand, in der sowohl die Trinität (3 Finger) wie die zwei Naturen Christi (2 Finger) zu sehen sind. Trinität, weil Gott EINS ist und unendlich viel größer als wir uns denken können.
(1) Er ist der Gott, der am Anfang von Allem steht. Er ist der Grund dafür, dass es etwas gibt und nicht nichts.
(2) Er ist kein Gott geblieben, der weit weg ist und über alles thront, sondern es ist ein naher Gott: es geht ihn um Menschen und er ist im Menschlichen sichtbar geworden.
(3) Gott ist Geist, Kraft, Inspiration. So ist er immer kraftspendend und inspirierend bei uns ist. Mit dieser Fülle an Gedanken und Potenzial segnet er mich.
 
-        Und dann ist er auch noch wahrer Gott und wahrer Mensch, weil das Göttliche und das Menschliche in ihm vereint werden. Er hält genau diese beiden Seiten zusammen. Dies zeigt sich auch in sein blaues und rotes Gewand. Blau weist in Ikonen auf seine Menschlichkeit hin, rot auf seine Göttlichkeit. Das blaue Gewand ist hier sehr besonders. Die geometrische Figur die unter seinem Haar-Zopf nach oben weist, ist wie ein Gebäude: es sind Säulen, die zum Himmel weisen.
 
-        Er schaut mich an, freundlich und nachdenklich, mit zwei unterschiedlichen Ausdrücken in den Augen. Man sieht, dass er in Gedanken gleichzeitig woanders ist. In seinen Augen und in seiner Haltung verbindet er Himmel und Erde. Genau das ist das Heil, das er bringt: er zeigt, wie man Gott in sich tragen kann, wie man nach Gottes Willen leben kann und voller Mitleid jedem Menschen ansehen kann. Jesus Christus hat gezeigt, dass es überhaupt möglich ist so zu leben. Dass ein Mensch sich ganz für Gott öffnen kann. Ich bin Christ, weil ich genauso an Gott glauben möchte, wie Jesus an Gott geglaubt hat. Es fasziniert mich, wie er das Göttliche und Menschliche in sich vereint.

Lange habe ich mich mit der Darstellung von Christus als Pantokrator schwer getan. Viel lieber war mir der Bruder Jesus, so wie er von den niederländischen Kinderbibel-Maler Kees de Kort gemalt wurde: einer wie wir. Viel lieber war mir Jesus der Revolutionär, der auf seinem Bein ein Gewehr zerbricht, wie auf dem Holzschnitt von Rudi Pankow aus 1923. Viel lieber war mir Jesus als ethisches Vorbild, als derjenige, der das Reich Gottes verwirklicht, wie in der politischen Theologie der 1970er Jahre. Aber das reicht nicht.
Er ist der Pantokrator, der All-Regierer. Das heißt aber sicher nicht, dass er ein Despot ist. Er ist auch kein autokratischer Fürst, kein religiöser Kaiser. Seine All-Macht bedeutet, dass in ihn das allumfas­sende Geheimnis Gottes sichtbar wird. Seine Macht ist die Potenz mir zu zeigen, was es bedeutet, wenn man sich für Gott öffnet, damit Gott ganz in einem wohnen kann: in der Weise wie ich arbeite und wie ich bete, in wie ich laut bin, aber auch leise, in wie ich einsam bin und unter vielen anderen Menschen sein kann, in wie ich heilend bei Menschen sein kann, aber auch in wie ich erschöpft bin.
So segnet er mich und gibt mir die Kraft zu radikaler Liebe: die Kraft bei anderen zu seine und die Kraft auch im Leiden meine Würde nicht zu verlie